Bevor wir tiefer in diese These einsteigen und ich meine Gedanken dazu mit euch teile, möchte ich auf das kleine, entscheidende Wörtchen „gut“ eingehen. Ein Wort, das eine von Gottes Wesenseigenschaften beschreibt.
Ich lade euch ein, dass ihr mal kurz überlegt, woher ihr das Wort „gut“ kennt. Und in welchen Zusammenhängen ihr es verwendet. Wenn ihr wollt, könnt ihr auch gerne mit dem Menschen, der neben euch sitzt, darüber ins Gespräch kommen.
Bestimmt habt ihr gerade entdeckt, dass „gut“ in vielen Kontexten eine Rolle spielt. Mit diesem Adjektiv lässt sich viel beschreiben. Wir verwenden das Wort „gut“ zum Beispiel um etwas auszudrücken, was für uns angenehm, erfreulich und positiv ist: „Das ist doch endlich mal eine gute Nachricht.“ „Wir hatten eine sehr gute Zeit miteinander.“
Wer sich anständig verhält, bekommt das Lob: „Du hast dich sehr gut benommen.“ Wenn es einen besonderen Anlass gibt, holen wir unsere guten Klamotten aus dem Schrank. Wenn etwas leicht oder mühelos ist, sagen wir zum Beispiel: „Das Buch liest sich gut.“
Wir verwenden das Wort auch im Zusammenhang mit einer Leistung, die ein Mensch erbringt: „Sie ist eine gute Schülerin.“ Auch ein misslungenes Ergebnis wird dadurch ausgedrückt: „Das war unterm Strich keine gute Leistung.“
Ihr merkt schon – mit gut lässt sich viel ausdrücken. Es kommt in unserem Sprachgebrauch häufig vor. Deshalb finde ich es so wichtig zu klären, wie es hier im Zusammenhang mit Gott, mit dem König der Könige, unserem Schöpfer gebraucht wird.
Es geht hier nicht um eine Leistung, die Gott erbringt. Für viele Menschen geht es gerade bei diesem Thema um den Gedanken, dass Gott mal was leisten müsste. Sich mal zeigen sollte. Etwas tut, damit es hier auf der Welt besser wird. Doch das ist meines Erachtens zu einseitig bei einem komplexen Thema, in das wir uns gemeinsam vertiefen.
Gott ist gut – wie ist das „gut“ in dieser These gemeint? „Gut“ drückt auch aus, dass jemand in einer engen Beziehung mit jemand anderen steht. Es geht um eine Beziehung, in der man einander zugetan ist, freundlich zueinander ist. „Gut“ ist meines Erachtens in der Predigtthese ein Beziehungsbegriff.
Es geht darum, zu sagen, dass Gott gutherzig, gütig, uneigennützig, selbstlos und rechtschaffen ist – auch wenn es manchmal nicht danach aussieht. Es geht heute nicht um eine Bewertung oder eine theoretische Abhandlung eines Glaubensthemas. Es geht um unser Vertrauen zum Macher dieser Welt. Um den, der dich liebt. Es geht um das gigantische, unbeschreibliche Wesen Gott. Um den, der eine Beziehung mit uns eingehen will. Es geht um den Gott, den wir zu keiner Zeit begreifen oder komplett in Worte fassen können. Darum, dass er gut ist. Es gut meint. Es gut macht.
An dieser Stelle will vielleicht der ein oder die andere einhaken. Sagen, dass es sich bei einem guten Gott um einen Wunschtraum der Christen handelt. Und auf die Realität, in der wir leben, hinweisen. „Hey, mach die Augen auf! Vieles sieht hier gar nicht gut aus!“
In der Welt, in der wir leben, ist vieles eher eine Katastrophe als ein „place to be“. Wir brauchen nur die Tagesthemen einzuschalten. Dann sehen wir viele Bilder, die sich einprägen. Die uns erschüttern. Bilder von Naturkatastrophen. Aus Kriegs- und Slumgebieten. Hungernde Menschen. So viel Leid. So viel Tod. Die Kamera hält schonungslos drauf. Und wir fühlen uns hilflos angesichts der anonymen Toten, die wir fast täglich sehen.
Und auch wenn wir den Fernseher oder die Nachrichtenapp auslassen, werden wir mit Leid konfrontiert. Es gibt unverschuldetes Leid in unserer Familie. Im Freundes- und Bekanntenkreis. Und in der Nachbarschaft. Und wieder diese Hilfslosigkeit. Vielleicht auch Wut. Verzweiflung.
Wir werden erschüttert durch das, was um uns herum passiert. Durch das, was wir selbst erleben. Es ist oft kaum zu ertragen. Und es führt oft zu der Frage: „Wie kann man an Gott glauben, wenn es so viel unverschuldetes Leid gibt?“ Ich meine damit schwerstes Leid, das nicht gut ausgeht.
Ich finde diese Frage so verständlich. Ich habe sie mir selbst auch schon gestellt. Da schwingt so viel mit:
Ich finde es wichtig, sich damit auseinanderzusetzen, wie Christen mit dieser ernst gemeinten, sehr tiefen Anfrage an Gott, an den Glauben umgehen. Denn an sie wird diese Frage gestellt. Und es werden Antworten gegeben.
Oft bleiben die Antworten theoretisch. Sie sind nicht unbedingt hilfreich. Manchmal sogar verletzend. Kalt. Je komplexer das Thema und vor allem das eigene Erleben sind, desto weniger nehmen kurze, schnelle Antworten Menschen ernst. Manchmal geben wir Antworten auf große Fragen, die alles glattbügeln oder erklären sollen. Die innerhalb von zwei Minuten jegliche Diskussion und ehrliche Auseinandersetzung im Keim ersticken.
Ich erlebe es in meinem Leben selbst auch so. Ich habe auch schon oberflächliche, wenig hilfreiche Antworten gegeben. Ich denke, da habe ich Menschen eher mit mehr Fragezeichen als vorher zurückgelassen. Und vielleicht sogar wirklich verletzt.
Und das alles oft aus der Angst heraus, dass ich sonst dumm dastehe. Dann lieber eine schnelle Antwort als keine. Lieber was über Gott sagen, als auszuhalten, dass ich es auch manchmal nicht verstehe, wie er ist. Dass sein Wesen nicht in meinen Verstand passt und es bei meinem liebevollen, guten Gott verborgene Seiten gibt, die ich würdigen und aushalten muss.
Und ich habe es auch schon erlebt, dass ich selbst schnelle Antworten bekommen habe. Oberflächliche Gespräche. Verletzende Worte. An eine Situation erinnere ich mich sehr gut. Da kam ich gerade von einer Operation, bei der klar wurde, dass ich aufgrund einer Krankheit wahrscheinlich keine Kinder bekommen kann. Als wir dann zu Hause waren, klingelte das Telefon. Die Person am anderen Ende hat nicht mal gefragt, wie es mir geht. Sie hat mich belehrt. Ihren Senf zur Lage dazu gegeben. Mich mit meinem großen Leid nicht ernst genommen. Das ist jetzt zwei Jahre her, aber ich weiß, wie sehr ich damals geweint habe. Und lange nicht mehr gerne ans Telefon gegangen bin. Aus der Angst heraus, zusätzlich zu meinem unverschuldeten Leiden noch oberflächliche Antworten, warum das so ist zu bekommen.
Aus diesen Erfahrungen heraus bitte ich uns, keine schnellen Antworten zu geben oder voreilige Schlüsse zu geben. Zwei Antworten auf die Fragen, wie Gott das alles zulassen kann und was Leiden für einen Sinn hat, möchte ich hier aufgreifen. Sie sind ziemlich beliebt bei Christen. Und sie können dem ein oder anderen auch helfen. Doch sie können auch ziemlich schnell in Sackgassen führen – und deshalb sollten wir uns so gut überlegen, wie wir Menschen begegnen, die leiden.
Leid wird oft damit begründet, dass der Mensch einen freien Willen von Gott bekommen hat. Deshalb gibt es laut vieler Menschen auch so viel Schlechtes auf dieser Welt. Damit müssen wir leben. Das ist halt so, weil Menschen schlechte Entscheidungen treffen.
Ja, es stimmt, wir haben einen freien Willen bekommen. Wir haben damit auch eine Verantwortung für unser Tun und auch für die Folgen, die aus dem kommen, was wir getan haben. Das sehe ich auch so.
Nur lässt sich nicht alles Leid dieser Welt mit dem freien Willen begründen. Auch der freie Wille jedes Menschen hat Grenzen. Es gibt sehr viele Dinge in unserem Leben, die wir uns nicht selbst aussuchen. Die wir nicht entscheiden. Z.B. ob, wann und wo wir geboren werden. Welches Geschlecht wir haben. In welcher Familie wir aufwachsen. Die Kultur, in der wir leben, ist uns vorgeben. Gefühle können wir wenig bis gar nicht steuern. Und so ist vieles von dem, was wir erleben, ertragen und auch erleiden müssen, nicht unser freier Wille.
Ich sage es mal sehr provokant: Jemand, der Gewalt erfährt, hat sich nicht selbst dafür entschieden, Opfer zu werden. Diese Person leidet unverschuldet. Es ist hartherzig, da anzunehmen, dass man sich selbst entscheiden kann. Und es ist auch oft schlicht nicht wahr.
Deshalb lasst uns bitte ganz behutsam und vorsichtig mit unseren Thesen über das Leid der Welt und warum das so ist umgeben.
Eine zweite Antwort will ich auch noch aufgreifen. Es wird gesagt, dass alles Leid aus der Sünde kommt. Wir sind gefallene Menschen. Mit der Konsequenz müssen wir leben. Ja, in der Bibel lernen wir ganz am Anfang, dass Menschen sündigen. Und das daraus Leid entsteht. Es gibt in der Bibel auch andere Geschichten. Zum Beispiel die von Hiob.
Hiob ist ein Mann, der nach dem Willen Gottes lebt. Nach und nach widerfährt Hiob unverschuldet großes Leid. Sein Vieh stirbt, seine Kinder sterben und schließlich wird er selbst krank. Das ist Leid, das nicht aus einer Sünde kommt. In dem Buch Hiob kommen dann Freunde vor, die Hiob begleiten. Sie sind irgendwann mit ihrem Latein am Ende und sagen, dass es halt Sünde ist und es deshalb so gekommen ist. Das macht Hiobs Situation nicht besser. Er braucht Freunde an seiner Seite, nicht als Gegner. Er wünscht sich, dass sie zu ihm halten und die Situation mit ihm aushalten. Stattdessen belehren sie ihn.
Wieder lerne ich: Es gibt keine schnelle Antwort. Und die Frage für viele Menschen bleibt: Ist Gott gut? Denn es sieht nicht unbedingt danach aus.
Ich weiß, ich spreche über ein sehr herausforderndes Thema. Bitte kommt auf mich zu, wenn ihr Redebedarf habt. Es geht hier auch viel um Erfahrungen und vor allem um das, wie ich selbst Leid und Gott im Leid erlebe. Auch ich bin ein geprägter Mensch, der seine Erlebnisse hier mit euch teilt. Und je mehr ich erlebe, desto mehr merke ich: Auf unverschuldetes, großes Leid gibt es keine schnelle, einfache Antwort. Wenn jemand, der durch Leid gegangen ist, für sich selbst z.B. die Antwort findet: „Ich habe gesündigt und musste erst einmal davon frei werden.“ Dann ist das etwas anderes. Derjenige kann diese Antwort geben – aber es steht uns nicht zu, von außen über eine Situation zu urteilen.
Es gibt keine Antwort, die auf Kinderlosigkeit, Krankheit oder Katastrophen gegeben werden kann. Es bleibt die Frage – wo und wer Gott in dem Ganzen ist?!
Ja, was bleibt, wenn schnelle Antworten wegfallen? Wenn ich es aushalten muss, dass es Leid gibt ohne zu wissen, warum und wieso.
Ich persönlich habe Gott genau an dieser Stelle erlebt und erfahren. Er hat mir an dieser Stelle gezeigt, wie ich mit Leid umgehen kann. Und vor allem, wie er dann zu mir ist.
Ich möchte mit euch ein paar Dinge anschauen, die ich selbst entdecken durfte.
Das erste finden wir wieder bei Hiob, dem Mann, von dem ich vorher schon gesprochen habe. Zuerst erfährt Hiob das ganze Leid in seinem Leben. Und dann legt er los. Er nimmt kein Blatt vor den Mund. Er sagt Gott ganz deutlich, was er von ihm hält. Und Hiob darf aussprechen. Am Ende redet Gott – aber Gott kann warten. Und zuhören.
Spannend sind die drei Freunde von Hiob. Sie fangen im Laufe der Zeit an, Gott zu verteidigen. Im Grunde geben sie Hiob die Schuld. Weil Gott muss ja gut dastehen – also ist Hiob der Böse. Sie sind statt Freunde Gottes Anwälte. Seine Verteidiger. Und halten es nicht aus, dass wir viele Dinge über Gott nicht wissen und nicht erklären können.
Es hat etwas mit Respekt Gott gegenüber zu tun, auszuhalten, dass ich nicht alles damit erklären kann, dass der Mensch Schuld ist. Wir müssen Gott nicht verteidigen. Das kann er selbst für sich tun.
Die Aufgabe der Freunde und das sagt Gott auch sehr deutlich ist, mit Hiob zu leiden. Für ihn da zu sein. Es auszuhalten, dass es hart und unbegreiflich ist. Und ich frage mich, wie ich Freundin und Begleiterin im Leiden bin? Es ist so schwer, manches auszuhalten. Mitzuweinen, ohne Worte zu haben. Und doch ist es genau das, was mir selbst sehr geholfen hat.
Es war in meinem Leben oft so gut, Menschen zu haben, die da sind. Die mitbeten. Für mich beten, wenn ich es nicht mehr kann. Und für mich glauben. Glauben, dass Gott trotz allem gut es. Dass er es gut meint. Und gut macht. Menschen, die aushalten, dass es mir schlecht geht.
Wenn wir solche Begleiter sind, dürfen wir Gott darum bitten, dass er uns die Kraft dafür gibt. Es ist nicht unsere Aufgabe, ihn zu verteidigen. Es ist unsere Aufgabe, mit ihm gemeinsam Menschen liebevoll und gut im Sinne von einem guten Freund zu begleiten. Jemand zu sein, der wie Gott gutherzig, gütig und selbstlos ist. Und diese Kraft bekommen wir von Gott. Da dürfen wir erleben: Ja, Gott ist gut – weil er aushält. Nicht weggeht. Nicht verurteilt. Weil er die Beziehung nie abbricht. Er bleibt. Wie gut!
Wir lernen in der Bibel, dass Klage in schweren Situationen berechtig ist und zum Leben dazu gehört. Wir sagen oft: „Man darf ja nicht klagen“. Ja, Gemecker ist anstrengend und nervt irgendwann. Hier geht es aber darum, in die Welt hinauszuschreien, was innen im Herz so weh tut! Rauszulassen, was verletzt und wütend macht. Überforderung auszudrücken. Und das Gott ganz unverblümt zu sagen. Klage landet nicht in einem luftleeren Raum. Unser guter Gott hört sie. Und nimmt sie ernst.
Die Beter der Psalmen machen es uns vor. Sie haben vor allem zwei Fragen: Warum? Wie lange noch?
Und diese Fragen sind berechtig. Wir dürfen Gott das fragen – er hält das aus! Das gefährdet unsere Beziehung zu ihm nicht. Er weiß, dass manche Dinge einfach raus müssen. Und bei ihm dürfen sie ungeschützt gesagt werden. Ich habe selbst so krasser Erfahrungen mit Klage gemacht. Ich schreibe eher als das ich laut sage, was mich belastet. Und da habe ich wie die Beter der Psalmen folgende Erfahrung gemacht: Wenn ich mir immer wieder alles von der Seele geschrieben habe, kam manchmal Leere. Und immer häufiger habe ich genau an diesem Punkt Gott gefunden. Gott, der mit offenen Armen dasteht. Meine Tränen sieht. Sie sogar sammelt, wie die Bibel es mir erzählt. Gott, der sagt: „Ich bin da! Ich verlasse dich nicht, geliebtes Kind!“. Gott, der nach und nach Perspektive schenkt. Und so durfte ich erfahren, dass Klage Raum für Zuversicht gibt. Diese Erfahrung wünsche ich jedem, der leidet. Es ist in Ordnung, das rauszulassen, was alles in uns ist. Denn dort macht es so viel kaputt. Du bist eingeladen, dich damit direkt an Gott zu richten. Glaub mir, er hört dich.
Und schließlich schaue ich mit euch auf Jesus. Darauf, wie er mit Leidenden umgeht. Jesus hat während seiner ganzen Zeit hier keine schnellen Antworten auf Leiden gegeben. Er hat keine Theorien über Leiden aufgestellt. Nein, er hat es ausgehalten. Jesus geht direkt zu Menschen, die leiden. Er liebt Menschen von Herzen, die krank, schwach, einsam, enttäuscht, verzweifelt oder auf der Suche sind.
Er ist für sie. Er begleitet sie. Und hilft ihnen.
Ich kenne niemand, der so liebevoll und intensiv mit leidenden Menschen umgeht wie Jesus. Er ist da. Er schaut nicht weg. Er hält es aus. Er begibt sich mittenrein.
Er gibt den Menschen Hoffnung. Und erzählt ganz realistisch davon, dass es auf dieser Welt Situationen gibt, in denen wir leiden. Und vor allem schwärmt er von dem Ort, an dem am Ende alles gut wird. Am Ende werden alle Tränen abgewischt. Es gibt kein Elend, kein Leid mehr. Nur noch pure Freude. Ausgelassen sein. Da sein. Ich freue mich so sehr darauf!
Leute, wenn Gott wie Jesus ist, dann gibt es Hoffnung. Ich lade dich ein, Jesus kennen zu lernen. Jeden Tag etwas Neues an ihm zu entdecken. Meine Erfahrung ist: Wenn Gott wie Jesus ist – dann ist er gut. Meint es gut. Macht es gut.
Ich bin am Ende meiner Gedanken angekommen. Lass es sacken. Sprich mit anderen drüber. Und vor allem – wenn du gerade leidest, bist du eingeladen, damit zu Gott zu gehen. Bitte komm – dazu lade ich dich in seinem Namen ein. Ich bete. Amen.