„ ... sieht ein großes Licht ...“

Impuls von Anke Schroth

Der erste Schnee ist in der Rhön gefallen, der erste Advent mit einem sehr schönen Zeit-T-räume-Gottesdienst gestartet. Die Adventskalender (für Frauen) sind verteilt.

Um mich ist es laut. Wir reden von Frieden auf Erden und hören tagtäglich von Krieg und Terror. Ich sehne mich nach Ruhe, nach Wärme, nach Licht. Ich sehne mich nicht nur nach Frieden auf Erden, nein Frieden soll es auch unter uns werden.

Vor einigen Wochen habe ich ein Buch in der Hand gehalten, in dem unterschiedliche Textstellen aus der Bibel auf die Weihnachts­zeit vorbereiten sollten. Die Idee gefällt mir und ich möchte sie gerne teilen.

Die ersten Verse aus Johannes 1,1-14 über­setzt nach „Das Buch“ von Roland Werner:

Wort – Leben – Licht

Zuerst das Wort. Ganz am Anfang war es. Das Wort. Auf Gott ausgerichtet war es. Gott selbst war das Wort. Am Anfang war es da, zu Gott hingewandt. Durch ihn, der das Wort war, entstand das All, und nichts in der ganzen Schöpfung entstand ohne ihn. In ihm – das Leben. Und das Leben war das Licht der Menschheit. Ja, in der Dunkelheit schien es auf, das Licht. Die Dunkelheit konnte es nicht überwältigen. Ein Mensch stand auf, ein Ge­sandter von Gott. Johannes war sein Name. Er kam, um mit seinem ganzen Leben auf das Licht hinzuweisen. Dadurch sollten sich alle Menschen Gott anvertrauen. Er selbst war nicht das Licht. Doch er kam, um auf das Licht hinzuweisen. Denn das war es: das wahre Licht, das auf jeden Menschen fällt, der in die Welt kommt. Er war in der Welt, ja, die Welt entstand durch ihn, und doch hat die Welt ihn nicht erkannt.

Er wohnte unter uns

Er kam dorthin, wo ihm alles gehörte. Doch die, die ihm gehörten, bereiteten ihm keinen Empfang. Aber allen, die ihn willkommen hießen, denen übertrug er Vollmacht. So wur­den sie zu Kindern Gottes. Das sind die, die ganz und gar auf ihn vertrauen. Seinen Na­men haben sie über ihr Leben gesetzt. Sie sind nicht geboren auf natürliche Weise, nicht entstanden aus fleischlichem oder menschli­chem Wollen. Aus Gott geboren sind sie. Ein wirklicher Mensch aus Fleisch und Blut – dazu wurde das Wort. Mitten unter uns hat er gewohnt und wir konnten ihn betrachten. Da war sein herrlicher Glanz. Er strahlte durch ihn hindurch, durch ihn, den einzig geborenen Sohn des Vaters. Ganz erfüllt war er von Got­tes Wesen: Wunderbar großzügig und durch und durch wahr war er.

Die Worte wirken fast poetisch, sind sehr tiefsinnig, weniger anschaulich als in den Geburtserzählungen von Matthäus und Lu­kas. Während Markus Jesu Geschichte mit der Ankündigung des Täufers beginnen lässt und Jesus erst als Erwachsener durch die Taufe am Jordan zum Sohn Gottes wird, ha­ben Matthäus und Lukas bereits ausführliche Erzählungen über die wunderbare Geburt Jesu. Die aus dem Lukasevangelium ist uns besonders vertraut. Johannes aber überbietet sie alle: Für Johannes ist klar, dass Jesus das Wort ist. Der, der von Anfang an war. Jesus wird direkt mit dem Anfang der Schöpfung in Verbindung gebracht. Im Anfang steht das Wort, die Liebe, die in Jesu Leben und Bot­schaft erkennbar wurde.

An Jesu bedingungsloser Liebe ist die Herr­lichkeit Gottes erkennbar geworden. Mit Je­sus ist das Ja Gottes zur Welt in diese Welt gekommen. Dieses Ja hält sich gegen alles Nein. Denn:

„Ja, in der Dunkelheit schien es auf, das Licht. Die Dunkelheit konnte es nicht überwältigen.“
und:
„Er kam dorthin, wo ihm alles gehörte. Doch die, die ihm gehörten, bereiteten ihm keinen Empfang.“

Wir lesen von Ablehnung, vom Nein, vom Unverständnis, die Jesus erfuhr. Wir sehen viele Parallelen zu heute. Uns fällt es heute auch nicht immer leicht, an das Licht, statt an die Finsternis zu glauben, an das Leben, statt an seine Bedrohung.

Auch wenn unsere Wirklichkeit und un­ser Alltag sich traurig und dunkel anfühlen, strahlt die Herrlichkeit Gottes. Denn das Wort ist ein Wort gegen die Angst und ge­gen die Dunkelheit. Und es wirkt bis heute. Das Licht scheint. Es ist eine Realität in die­ser Welt. Wenn wir darauf vertrauen, dass die Liebe am Anfang der Welt steht und dass die­se Liebe bis heute weiterwirkt und uns trägt, dann bekommt die Dunkelheit keine Macht über uns.

„ ... Da war sein herrlicher Glanz. Er strahlte durch ihn hindurch, durch ihn, den einzig geborenen Sohn des Vaters. Ganz erfüllt war er von Gottes Wesen: Wunderbar großzügig und durch und durch wahr war er.“

Lukas 2,1-20 übersetzt nach „Das Buch“ von Roland Werner:

 

Jesus wird geboren

Damals geschah Folgendes: Der römische Kaiser Augustus erließ ein Gesetz, nach dem sein ganzes Weltreich statistisch erfasst wer­den sollte. Diese erste Datenerhebung fand statt, bevor Quirinius Syrien verwaltete. Alle Menschen machten sich auf den Weg, um ihre Namen erfassen zu lassen, und zwar jeder in seinem Heimatort. So zog auch Josef los, aus Galiläa, aus dem Ort Nazareth, hinauf nach Judäa, nach Bethlehem, der Heimatstadt von König David. Denn er war ein direkter Nach­fahre von David und hatte dort noch Heimat­recht. Deshalb wollte er sich dort registrieren lassen, zusammen mit seiner Verlobten Maria, die inzwischen schwanger war. Während sie sich dort aufhielten, rückte der Geburtstermin immer näher und Maria brachte einen Sohn zur Welt, ihr erstes Kind. Sie wickelte ihn fest ein und legte ihn zum Schlafen in einen Fut­tertrog, denn es gab für sie keinen geeigneten Platz im Wohnraum.

Die Erscheinung der Engel

Einige Hirten befanden sich in der Gegend. Sie verbrachten die Nacht draußen auf dem freien Feld, weil sie ihre Herden bewachen mussten. Da stand plötzlich ein Engel, ein Bote von Gott, vor ihnen. Der Lichtglanz der Herrlichkeit Gottes machte alles um sie herum ganz hell und sie wurden von großer Furcht er­griffen. Doch der Gottesbote sagte zu ihnen: »Habt keine Angst! Denn ich bin hier, um euch eine wunderbare Nachricht zu bringen! Große Freude bedeutet sie für alle Menschen. Heu­te ist für euch der Weltenretter geboren, der Messias, der rechtmäßige Herr, und zwar in dem Heimatort von David. Und das kann euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Baby finden, das in Windeln eingewickelt in einem Futtertrog liegt.« Plötzlich war da bei dem Gottesboten eine riesig große Armee des Him­mels. Sie sangen Loblieder auf Gott und rie­fen: »Gott gehört alle Ehre in den höchsten Höhen! Sein Friede kommt zu den Menschen, weil er ihnen sein Wohlgefallen schenkt.« Als dann die Engel wieder in den Himmel zu­rückkehrten, sagten die Hirten zueinander: »Los, lasst uns nach Bethlehem gehen! Wir wollen unbedingt sehen, was wir gehört haben, die Botschaft, die Gott uns mitgeteilt hat!« Sie liefen so schnell wie möglich dorthin und fanden alle vor: Maria und Josef und das Baby, das im Futtertrog lag. Sie sahen sie und er­kannten sie aufgrund dessen, was ihnen über das kleine Kind berichtet worden war. Alle, die von diesen Ereignissen hörten, staunten über das, was die Hirten ihnen erzählten. Und Maria nahm alles in sich auf und beweg­te das, was sie gehört und erfahren hatte, in ihrem Herzen. Die Hirten kehrten wieder zurück auf das Feld. Dabei gaben sie Gott alle Ehre, sie lobten ihn wegen allem, was sie gehört und gesehen hatten. Denn es war alles genauso gewesen, wie es ihnen der Gottesbote angekün­digt hatte.

Wie oft haben wir diese Verse schon gelesen, gehört oder in einem Krippenspiel erlebt. Die Worte sind so vertraut und doch können wir immer wieder Neues entdecken.

Der Vers 10 berührt mich in diesem Jahr am meisten:

„Doch der Gottesbote sagte zu ihnen: »Habt keine Angst! Denn ich bin hier, um euch eine wunderbare Nachricht zu bringen! Große Freude bedeutet sie für alle Menschen.“

Die Hirten werden herausgerissen aus ihrem Alltag, werden überwältigt von der Botschaft der Engel. Wir wissen sonst nicht viel über sie, ob sie fromm waren oder nicht, ob Gott in ihrem Leben eine Rolle spielte oder nicht. Es ist möglich, dass sie ein bisschen glaubten, aber sonst gewohnt waren, selbst anzupacken und ihr Leben selbst gestalteten. Es war ein hartes Leben. Für die frommen Leute in Je­rusalem galten sie als nicht besonders beach­tenswert. Aber dann sehen sie plötzlich das Licht aus der Ewigkeit, „die Klarheit Gottes“.

In diesem kleinen Moment kommt ihnen all das entgegen, was es in Gottes Welt gibt an Liebe, Freude, Hoffnung, Frieden und Kraft. Auch wenn sie anschließend wieder in ihr normales Umfeld und zu ihrer gewohnten Arbeit zurückkehren, ändert sich ihr Leben von Grund auf. Die vollkommene Liebe Got­tes im Vergleich mit der menschlichen Liebe; die Freude aus der Ewigkeit mit der Freude, die es in der Welt gibt; der Friede Gottes mit dem menschlichen Frieden; die Kraft, die von Gott kommt, mit der Kraft, die uns Menschen zur Verfügung steht. Dieser kleine Blick in die Ewigkeit setzt sie in Bewegung: Jetzt wollen sie alles wissen, es von Grund auf erforschen.

„Sie kamen eilend“, sie sind neugierig, ge­packt von dem Erlebten. Sie entdecken: Es ist wahr! Gott ist da! Gott ist zu uns gekommen. Vorher haben sie sich vielleicht auch gefragt: wozu Gott? Brauche ich Gott für mein Le­ben? Wo ist Gott? Jetzt wissen sie: Gott ist da, in Jesus. Ohne Gott geht es gar nicht, weil das so fantastisch groß und hilfreich ist. Und nun können sie nicht anders, als es allen weiter­sagen.

Wenn wir das Licht der Ewigkeit in Jesus nur ein bisschen sehen und erleben, wie es die Hirten erlebt haben; wenn wir Gott er­lauben, einen Fuß in die Tür unseres Lebens zu bekommen. Dann ist klar: Ja, ich brauche Gott für meinen inneren Frieden, für Halt, für Freude und Hoffnung. Es gibt nichts Bes­seres auf der Welt als das, was uns in Jesus begegnet.

Abschließen möchte ich mit der Verheißung aus Jesaja 9,1-6 – übersetzt nach Luther 2017:

Der Friedefürst wird verheißen

Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell. Du weckst lauten Jubel, du machst groß die Freude. Vor dir freut man sich, wie man sich freut in der Ernte, wie man fröhlich ist, wenn man Beute austeilt. Denn du hast ihr drückendes Joch, die Jochstange auf ihrer Schulter und den Stecken ihres Treibers zerbrochen wie am Tage Midians. Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn dahergeht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt. Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, dass er’s stärke und stütze durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Solches wird tun der Eifer des HERRN Zebaoth.

Eindrücklich hat Dietrich Bonhoeffer Weih­nachten 1940 diese Namen in einer Predigt­meditation wie folgt beschrieben:

Jedes einzelne dieser Worte von einer unendli­chen Tiefe und alle zusammen versuchen nur einen einzigen Namen auszusprechen: Jesus.

»Wunder-Rat«

heißt dieses Kind. In ihm ist das Wunder aller Wunder geschehen, aus Got­tes ewigem Rat ging die Geburt des Heiland­kindes hervor. In der Gestalt eines Menschenkindes gab Gott uns seinen Sohn, Gott ward Mensch, das Wort ward Fleisch. Das ist das Wunder der Liebe Gottes zu uns, und es ist der unergründliche weise Rat, daß diese Liebe uns gewinnt und rettet. Weil aber dieses Kind Got­tes eigener Wunder-Rat ist, darum ist es auch selbst eine Quelle aller Wunder und alles Rates. Wer in Jesus das Wunder des Sohnes Gottes er­kennt, dem wird jedes seiner Worte und jede Tat zum Wunder, der findet bei ihm in allen Nöten und Fragen letzten, tiefsten, hilfreichs­ten Rat. Ja, bevor das Kind seine Lippen auftun kann, ist es voller Wunder und voller Rat. Geh zum Kind in der Krippe, glaube in ihm den Sohn Gottes, und du findest in ihm Wunder über Wunder, Rat über Rat.

»Gott-Kraft«

heißt dieses Kind. Das Kind in der Krippe ist kein anderer als Gott selbst. Grö­ßeres kann nicht gesagt werden. Gott wurde ein Kind. In dem Jesuskind der Maria wohnt der allmächtige Gott. Halt einen Augenblick inne! Sprich nicht, denk nicht weiter! Bleib ste­hen vor diesem Wort! Gott ist ein Kind gewor­den! Hier ist es arm wie wir, elend und hilflos wie wir, ein Mensch von Fleisch und Blut wie wir, unser Bruder. Und doch ist er Gott, doch ist er Kraft. Wo ist die Gottheit, wo ist die Kraft dieses Kindes? In der göttlichen Liebe, in der es uns gleich wurde. Sein Elend in der Krippe ist seine Kraft. In der Kraft der Liebe überwindet es die Kluft zwischen Gott und den Menschen, überwindet es Sünde und Tod, vergibt es Sünde und erweckt vom Tode. Knie nieder vor dieser armseligen Krippe, vor diesem Kind armer Leute, und sprich im Glauben die stammeln­den Worte des Propheten nach: »Gott-Kraft!« – und er wird dein Gott und deine Kraft sein.

»Ewig-Vater«

Wie kann dies der Name des Kindes sein? Nur so, daß sich in diesem Kinde die ewige väterliche Liebe Gottes offenbart und dass das Kind nichts anderes will als die Liebe des Vaters auf die Erde bringen. So ist der Sohn mit dem Vater eins, und wer den Sohn sieht, der sieht den Vater. Dieses Kind will nichts für sich sein, kein Wunderkind in menschli­chem Sinne, sondern ein gehorsames Kind sei­nes himmlischen Vaters. In der Zeit geboren, bringt es die Ewigkeit mit sich auf Erden, als Sohn Gottes bringt es uns allen die Liebe des Vaters im Himmel. Geh hin, suche und finde an der Krippe den ewigen Vater, der hier auch dein lieber Vater geworden ist.

»Friede-Fürst«

Wo Gott in Liebe zu den Men­schen kommt, sich mit ihnen vereint, dort ist Friede geschlossen zwischen Gott und Mensch und zwischen Mensch und Mensch. Fürchtest du dich vor Gottes Zorn, so geh zum Kind in der Krippe und laß dir hier den Frieden Gottes schenken. Bist du in Streit und Haß mit dei­nem Bruder zerfallen, komm und sieh, wie Gott aus lauter Liebe unser Bruder geworden ist und uns miteinander versöhnen will. In der Welt herrscht die Gewalt, dieses Kind ist der Fürst des Friedens. Wo es ist, dort herrscht Friede.

»Wunder-Rat, Gott-Kraft, Ewig-Vater, Frie­de-Fürst«

So sprechen wir an der Krippe von Bethlehem, so überstürzen sich unsere Worte beim Anblick des göttlichen Kindes, so versuchen wir in Begriffe zu fassen, was für uns in dem einen Namen beschlossen liegt: Jesus. Diese Worte aber sind ja im Grunde nichts anderes als ein wortloses Schweigen der Anbetung vor dem Unaussprechlichen, vor der Gegenwart Gottes in der Gestalt eines Menschenkindes.

Wie wäre es, wenn wir uns wie die Hirten aus dem Alltag herausreißen lassen? Wenn wir ei­lend und neugierig uns mit „Am Anfang war das Wort“ beschäftigen?

Wie wäre es, wenn das Licht in uns und durch uns in die Herausforderungen des Alltags strahlen darf?

Wie wäre es, wenn wir wie Dietrich Bonhoef­fer geschrieben hat: »Wunder-Rat, Gott-Kraft, Ewig-Vater, Friede-Fürst« unter die Krippe le­gen und uns ganz neu beschenken lassen?

Wie weit reicht dein Licht? so heißt ein Lied von Daniel Harter. Sie können es sich hier anhören.

»Ich selbst bin das Licht der Welt. Jeder, der mir folgt, wird nicht in der Dunkelheit herumirren. Nein, er wird das Licht des Lebens haben!«

Johannes 8,12 übersetzt nach „Das Buch“ von Roland Werner